BMU-Medienpreis 2020

Jury spricht vier Empfehlungen aus

Die Ergebnisse der 11. Ausschreibung des BMU-Medienpreises stehen fest. Die Fachjury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Oberschmidt zeichnet 2020 insgesamt vier Produktionen mit einer „Empfehlung“ aus und würdigt damit neben der besonders ansprechenden Herangehensweise Kindern und Jugendlichen Zugänge zu Musik zu öffnen insbesondere die musikpädagogische Wirksamkeit dieser Produktionen im schulischen Kontext. 23 Einsendungen wurden eingereicht. Ein Preis wurde nicht vergeben.

Empfehlungen gehen an die folgenden Produktionen:

  • Breitkopf&Härtel, Wiesbaden: Lachenmann-Perspektiven. (DVD-Reihe zum Orchesterwerk H. Lachenmanns; Prod.: Christine Fischer/Musik der Jahrhunderte, Red.: Frank Reinisch; Regie: Wiebke Pöpel)
  • Friedrich Verlag, Hannover: Der Große Trommelwirbel. Wege zum Groove für ALLE. (Buch und DVD; Autoren: Frieder Bleyl und Gaby Grest)
  • Friedrich Verlag, Hannover: Sprachförderung mit Musik zu „Paulas Reisen“ (Buch und CD-ROM; Autorin: Birgit Jeschonneck)
  • Helbling Verlag, Esslingen: MusiX. Das Kursbuch Musik 1 (Neuausgabe) (Medienverbund; Autoren: Markus Detterbeck, Gero Schmidt-Oberländer)

Die Fachjury 2020 bildeten Barbara Haack (neue musikzeitung, Regensburg), Christiane Jasper, Sonja Schmitt und Prof. Dr. Jürgen Oberschmidt (Bundesverband Musikunterricht e.V.) sowie Matthias Pannes (Verband deutscher Musikschulen e.V.).

Da eine öffentliche Preisverleihung in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden kann, erfolgen die Preisüberreichungen ausnahmsweise im Rahmen von Fototerminen bei den jeweiligen Verlagen. Die Laudationes und weitere Informationen zu den prämierten Produktionen finden Sie unten.

Der BMU-Medienpreis wird gefördert von der Pro Musica Viva – Maria Strecker-Daelen Stiftung, Mainz. Er wird im Abstand von zwei Jahren ausgeschrieben für innovative Musik-Lernsoftware und musikpädagogisch anspruchsvolle Produktionen im Bereich audiovisueller Medien (einschließlich Internet). Mit dem Preis werden Produkte ausgezeichnet, die Kindern und Jugendlichen auf besonders ansprechende und neuartige Weise Zugänge zu Musik eröffnen und damit im schulischen Kontext musikpädagogisch wirken.

Kurzbeschreibungen der prämierten Produktionen

Lachenmann-Perspektiven; Verlag Breitkopf & Härtel, Wiesbaden (Empfehlung 2020)

Die Regisseurin Wiebke Pöpel hat sich auf eine besondere Reise gemacht: Quer durch Europa folgte sie den Spuren Helmut Lachenmanns – oder besser den Spuren seiner Orchesterwerke. Mit ihrer Kamera erfasste die Filmemacherin die unterschiedlichsten Orchester bei Proben und Konzerten von Kompositionen des renommierten Musik-Schöpfers, ebenso Gespräche mit ihm und anderen Beteiligten. Das Ergebnis ist eine Sammlung von 7 DVDs, die einen eindrücklichen Einblick in dieses vielseitige Orchesterschaffen gibt: die „Lachenmann Perspektiven“.

Beauftragt wurde die Regisseurin von „Musik der Jahrhunderte“, dem weit über deutsche Grenzen hinaus bekannten Veranstalter zeitgenössischer Musik. Anlässlich von Lachenmanns 80. Geburtstag im Jahr 2015 initiierte „Musik der Jahrhunderte“ eine europäische Gesamtaufführung aller seiner sinfonischen Werke. Die „Lachenmann Perspektiven“ umfassten insgesamt 24 Konzert in zehn verschiedenen Ländern – mit ganz unterschiedlichen Orchestern, Dirigenten, Interpreten. Das Ensemble Modern und das Rundfunk Sinfonie Orchester sind zum Beispiel dabei mit „Schwankungen am Rand“, das Staatsorchester Stuttgart interpretiert gemeinsam mit dem Arditti Quartett die „Tanzsuite mit Deutschlandlied“, das Radio Sinfonieorchester des SWR und das SWR Vokalensemble spielen „Les Consolations“. Und ein Studentenorchester aus San Sebastian wagt sich an das Werk „Schreiben“. Für die jungen Musikerinnen und Musiker ist die Tonsprache Lachenmanns unvertraut. Umso spannender ist es zu beobachten, wie sie sich unter seiner Anleitung an diese Sprache herantasten.

Jede DVD enthält einen Mitschnitt des jeweiligen Konzerts, darüber hinaus – was die Sammlung so informativ macht – Ausschnitte aus Proben unter Anwesenheit des Komponisten, Konzerteinführungen, Aufnahmen, in denen er Auskunft gibt über sein Werk, und Gespräche mit Interpreten. Der Zuschauer taucht ein in die musikalische, aber auch in die philosophische und ästhetische Welt Helmut Lachenmanns. Er selbst berichtet darüber, wie er sich mit Klängen beschäftigt, sich ihnen mit dem „Instrument Orchester“ annähert, und er erzählt, welche Ideen und Gedanken das Werk haben entstehen lassen; wie er sich zum Beispiel dem Begriff der Schönheit über das Mozartsche Klarinettenkonzert annäherte und „Accanto“, ein Werk für Klarinette und Orchester, entstand. In den Proben erklärt er den jungen Pianisten des Studentenorchesters, wie sie das Klavier zum Klingen bringen sollen, er zeigt den Violinen des Profiorchesters, wie sie durch bestimmte Fingerstellungen die Töne erzeugen, die er sich vorstellt: immer ebenso akribisch wie geduldig und warmherzig.

Die Sammlung vermittelt eine Annäherung an das Werk eines der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, aber auch eine Annäherung an das Genre „Neue Musik“. Die Beobachtung von Proben und Gesprächen machen „Lust auf mehr“. „Ich wollte eine absolut verständliche Musik machen, obwohl man mir das nicht glaubt“, erklärt der Komponist schmunzelnd in einem der vielen Gespräche. Die DVD-Sammlung nun liefert einen wesentlichen Beitrag dazu, zeitgenössische Musik auch Menschen verständlich zu machen, die sie zunächst als fremd empfinden, und ermöglicht es dem interessierten Hörer, sich in ein musikalisches Oeuvre regelrecht zu vertiefen. 

Diese „Lachenmann Perspektiven“ sind eine äußerst verdienstvolle und umfassende Sammlung mit vielen wertvollen Materialien und Hintergrundinformationen. Im Oberstufenunterricht können diese Aufnahmen unterstützend wirken, um Schülerinnen und Schülern – intellektuell wie auch sinnlich – zeitgenössische Musik erleb- und nahbar zu machen. Aus diesem Grund spricht die Jury des BMU-Medienpreises 2020 für diese Sammlung eine Empfehlung aus.

Sprachförderung mit Musik zu „Paulas Reisen“, Friedrich Verlag, Hannover (Empfehlung 2020)

Es ist ein Genuss, in Birgit Jeschonnecks Buch „Sprachförderung mit Musik“ zu lesen und zu blättern: Die visuell sehr gelungene Aufbereitung und die überzeugend dargestellten Ideen der Autorin und deren Schüler*innen laden einen dazu ein, die ganzheitlichen und fächerübergreifenden (Deutsch und Musik) Arbeitsweisen für die Klasse 1 und 2 selbst zu erproben.

Im Zentrum des sprachförderlichen Unterrichts stehen die Schüler*innen selbst und ihr Umgang mit Paul Maars Bilderbuch Paulas Reisen, welches musikalisch, szenisch, tänzerisch, literarisch und künstlerisch im Rahmen eines projektartigen Unterrichts erfahren und erarbeitet wird: Paula erlebt auf ihren vier Traumreisen in eckig, rund, rot-tönig und kopfunter geprägte Länder Begrenzungen, gegen die sie rebelliert bis sie schließlich wieder in ihrem Bett landet. Diese wiederkehrende Struktur des Buches nutzt Jeschonneck geschickt für sich wiederholende oder variierte Verse und Melodien, sodass sich z.B. Syntax oder auch Artikulation besonders gut bei Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache einprägen können. Wortschatzerweiterungen oder auch grammatische Phänomene werden u.a. über körperorientierte und spielerische Zugänge geübt und auch ansprechend gestaltete Arbeitsblätter für die Hand der Lernenden regen diese zu kreativen Schreibprozessen an. Wer meint, hier käme die Musik zu kurz, irrt! Bekannte Volkslieder und Neukompositionen wechseln sich ab und erklingen neben den peppigen Tanz- und Bewegungsmusiken auf der beigefügten CD-Rom, sodass sich auch fachnah Unterrichtende daran orientieren können. Quasi als Bonus regt die Autorin darüber hinaus dazu an, das Buch zu erweitern und eigene, frei erfundene Länder gemeinsam mit den Kindern künstlerisch-sprachlich auszugestalten. Zwei aus der Zusammenarbeit mit ihren multinationalen Klassen erwachsene Länder stellt die erfahrene Musikpädagogin hier schließlich noch vor.

Das liebevoll mit Fotos aus dem Unterricht, Noten, Kinderzeichnungen, Collagen und anderen farblich abgestimmten Grafiken aufbereitete Büchlein richtet sich an Grundschulkollegen*innen sowie Lehrpersonen aus dem Bereich der additiven Sprachförderung und kann auch im inklusiven Setting wirksam werden. Die fundierten methodisch-didaktischen Hinweise innerhalb der Kapitel und die jeweils einleitende Übersicht begründen das Vorgehen nachvollziehbar und helfen bei der konkreten Umsetzung in die Praxis. Nicht zu vergessen ist auch das abschließende Kapitel, welches implizite und explizite Sprachförderung anhand von Bilderbüchern und Musik beleuchtet.

 

Die Jury gratuliert Birgit Jeschonneck und dem Friedrich-Verlag zu dieser farbenfrohen Veröffentlichung, welches Lehrkräften Mut zur kreativen Gestaltungsarbeit mit Kindern macht und dadurch Kindern auf besonders vielseitige Weise Zugänge zur Musik und zur Sprache eröffnen kann.

 

Der Große Trommelwirbel. Wege zum Groove für ALLE, Friedrich Verlag, Hannover: (Empfehlung 2020)

Wie bringt man Kinder, Jugendliche, Menschen jeden Lebensalters zum gemeinsamen Musizieren?

Am voraussetzungslosesten ist dies sicherlich über Rhythmus, Körperbewegung und Perkussionsinstrumente möglich, zu denen durchaus klatschende Hände, Topfdeckel, Mülleimer, Pappkartons, Knistertüten oder PET-Flaschen gezählt werden können.

Inspirierende, motivierende und sehr praxisnahe Anregungen dazu stellt in großer Zahl „Der Große Trommelwirbel. Wege zum Groove für ALLE“ zur Verfügung, 2018 im Friedrich Verlag bei Kallmeyer/Klett erschienen.

Die Autoren Frieder Bleyl und Gaby Grest, beide Musiker und Sonderpädagogen, richten ihr „Lehrwerk für den Percussionunterricht“ zwar explizit an Lehrkräfte, Referendare und Lehramtsstudierende aller Schulformen – die Publikation eignet sich hierbei besonders für den Einsatz in Percussionklassen. Genauso profitieren von dem Material aber auch Schlagzeugensembles in Musikschulen und bei Projekten, freie Trommelgruppen oder Workshopangebote.

Im Zentrum steht das gut 100 Seiten starke Buch – mit unempfindlichem, abwaschbarem Einband und gut handhabbarer Ringbindung rein äußerlich schon unbedingt praxistauglich.

Hier gibt es für Lehrende bzw. Ensembleleitungen ebenso detaillierte wie übersichtliche, gut nachvollziehbare musikdidaktische und methodische Hinweise: von der Stück- und Instrumentenauswahl über geeignete Ensembleaufstellungen, Regeln für das Arbeiten in der Gruppe, die Anleitung der Gruppe durch eindeutige Spielzeichen bis hin zu Schlag- und Spieltechniken und deren Vermittlung sowie zur Gestaltung von Mitmach-Aufführungen. Warm-ups und Übesequenzen bereiten auf das Zusammenspiel vor.

Grundprinzip ist die jederzeitige Möglichkeit, Schlagpatterns differenziert und individualisiert den jeweiligen persönlichen Fähigkeiten der unterschiedlichen Ensemblemitglieder anzupassen, so dass eine vom voraussetzungslosen Beginn bis zu relativ komplexen Zielen aufbauende Struktur vorhanden ist, bei der vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen wirklich jeder mitmachen kann und eine jeweils angemessene Aufgabe erhält. Diese heterogenen und vielfältigen Arrangement- und Spielmöglichkeiten machen den „Großen Trommelwirbel“ hervorragend auch in inklusiven Settings einsetzbar. Ebenso werden Kooperationsformen mit Bandinstrumenten oder Bläserklassen mitgedacht.

Als interkulturellen Schatz gibt es schließlich noch 14 Arrangements eingängiger Lieder aus verschiedenen Kulturräumen: Brasilien, Karibik, Afrika, Orient und Indien.

Ein weiteres Highlight ist die in den Lehrerband integrierte DVD mit Noten-pdf-Dateien und vor allem mit Videos zu allen 14 Musikstücken. Sie zeigen die schrittweise Einübung aller Einzelstimmen jedes Arrangements sowie den Gesamtablauf im kompletten Ensemble anschaulich auf. Mit diesem Material können Schülerinnen und Schüler bzw. Gruppenmitglieder auch problemlos allein üben, bevor alles „zusammengesetzt“ wird. Einziger kleiner Verbesserungsaspekt: Der Ton auf der DVD könnte etwas lauter eingespielt bzw. ausgesteuert sein.

 

Alles in allem wirklich sehr empfehlenswert für alle, die „mit pulsierenden Rhythmen und knackigen Breaks“ temperamentvoll zusammen grooven möchten!

MusiX. Das Kursbuch Musik 1 (Neuausgabe), Medienverbund (Empfehlung 2020)

Mit der Neuausgabe von „MusiX. Das Kursbuch Musik 1“ für die Klassen 5/6 hat der Helbling Verlag das kompetenzorientierte Lehrwerk MusiX mithilfe zahlreicher Rückmeldungen von Lehrkräften verbessert und auf die aktuellen Bedürfnisse im Musikunterricht abgestimmt. Den Autoren Markus Detterbeck und Gero Schmidt-Oberländer ist es gelungen, das Medienkonzept rund um MusiX zu erweitern und somit im Bereich von Digitalisierung und Schule auf die Verschränkung von digitalen und analogen Wirklichkeiten zu reagieren.

Abgestimmt auf die neuesten Bildungspläne wird in 20 Kapiteln nach dem Prinzip „Vom Handeln zum Wissen“ ein nachhaltiger Aufbau musikalischer Fähigkeiten und Fertigkeiten konsequent umgesetzt und gefördert. Das Musiziermaterial reicht von Start-ups und Liedern bis hin zu Spiel-mit-Sätzen und Klassenarrangements. In den neuen Rubriken Spielraum, Trainingsraum und Im Fokus können verschiedene Inhalte und musikalische Kompetenzen fantasievoll vertieft und motivierend geübt werden. Ebenfalls neu ist die Methode „Mit den Ohren sehen“, wonach die Werkzeuge Solmisation und Rhythmussprache ein sicheres Musizieren und Erschließen von Musik unterstützen. Ein Lehrerband bietet didaktisch-methodische Hinweise zur Durchführung der Unterrichtssequenzen. Die auf das Schulbuch abgestimmten Arbeitshefte dienen zur individuellen Übung und Festigung des Gelernten und haben eine Anbindung an die Schüler-App.

Die HELBLING Media-App (MusiX in your pocket) ist eine Besonderheit der Neuausgabe. Mit dieser kostenlosen App stehen den Schülern auch zuhause Zusatzmaterialien wie Hörbeispiele und -aufgaben, Erklärvideos oder Anleitungen zu Choreografien jederzeit auf dem Smartphone zur Verfügung. Mithilfe der App wird ein selbstgesteuertes Lernen gefördert und musikalische Inhalte können anschaulich vertieft werden. Neben den Tonbeispielen auf den Audio-CDs und den Unterrichtsfilmen auf der Video-DVD beinhaltet die Multimedia-DVD-ROM viele praktische multimediale Anwendungen. Mit klingenden Spiel-mit-Sätzen, interaktiven Notenbildern und Mitlaufpartituren, verschiedenen Hörquiz und Spielen, animierter Musiklehre oder einer interaktiven Notentafel bietet die DVD-ROM Möglichkeiten, Inhalte (interaktiv) zu visualisieren oder motivierend zu üben.

Mit seiner wertvollen Medienvielfalt bietet die Neuausgabe von MusiX 1 (Klasse 5/6) optimale Voraussetzungen für einen zeitgemäßen und lebendigen Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen.

Ausschreibung BMU-Medienpreis 2020